Es war wieder einmal zur Weihnachtszeit und wo könnte es, außer in Irland, gewesen sein?
Trotz oder gerade wegen des Klimawandels war es bitterlich kalt. Auf einer Lichtung in den spärlichen, irischen Wäldern tanzten sich die Elfen warm. Um die Lichtung herum saßen Leprechauns und sprachen dem Wasser des Lebens zu – auch das schien zu wärmen.
Plötzlich ertönte ein lauter Fluch, so laut, dass sogar die Elfen in ihrem Tanz inne hielten.
“Verdammt, das Fass ist leer – und es war das letzte!”, fluchte der Anführer der Leprechauns!
“Wie, was?” kam es jetzt auch von den Elfen, “für uns ist nichts mehr übrig?”
“Ihr tanzt doch sowieso viel lieber, also habt euch nicht so!” schrie der Kobold zurück.
“Ihr wisst genau, dass wir unsere Zauberkräfte verlieren, wenn wir nicht genug vom Wasser des Lebens trinken!”. Die Elfen waren fuchsteufelswild!
Die ganze Situation eskalierte immer mehr und stand kurz vor dem Ausbrechen eines Handgemenges.
“Jetzt beruhigt euch! Alle!”, wies der weise Oberelf die versammelten Geister an. “Ihr wisst genau, dass Weinachten ist und dass wir da von den Menschen mit dem neu gebrannten Whiskey versorgt werden – also stellt euch nicht so an!”.
“Los, lasst uns zu den O’ Murchadhas, den Barden von Blarney Castle, gehen und unsere Rationen abholen”!
Etwa zur gleichen Zeit trug sich bei den Barden von Blarney Castle ein regelrechtes Drama zu.
Die Barden hatten sich gerade im großen Saal der Burg versammelt und bereiteten sich auf die großen Weihnachtserzählungen vor, als plötzlich mit einem lauten Rumms die Saaltür aufgerissen und an die Wand geknallt wurde.
Völlig aufgelöst und erzürnt stürmte der Kellermeister ihn den Saal. Vor Grimm brachte er kaum einen Ton hervor.
“Diese verfluchten…, diese dreimal verfluchten…, diese total bescheuerten…”, keuchte er.
“Wer hat dich so erzürnt?”, fragte der Oberbarde ruhig.
“Diese, diese Merrows, die haben…., die haben….”, zu mehr war der Kellermeister nicht in der Lage.
“Was haben diese Merrows? Beruhige dich erst mal, damit du berichten kannst!”, schritt der Oberbarde wieder ein.
Der Kellermeister griff sich das Glas, das ihm am nächsten stand und stürzte es in einem Zug hinunter. Das war ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten, denn er zollte dem Wasser des Lebens immer großen Respekt und genoss es lieber. Alleine dieses Verhalten zeigte, wie erzürnt und außer sich er war.
Endlich war er wieder ruhig genug um zu berichten.
“Diese verdammten Merrows haben im Keller eine Feier abgehalten und liegen jetzt total besoffen im Gewölbe herum!”.
“Na das ist doch nicht so schlimm! Das sind wir doch gewohnt, das ist ja nicht das erste Mal!” warf der Oberbarde ein.
“Natürlich ist das nicht das erste Mal, aber es ist das erste Mal, dass sie keinen Tropfen übrig gelassen haben. Alle Whiskeyfässer sind leer!”, schrie der Kellermeiser zurück.
“Ja, das ist wirklich eine Katastrophe – und das jetzt, wo wir die Geister zu Weihnachten verpflegen müssen”. Auch der Oberbarde ließ den Kopf entmutigt auf den Tisch sinken. Aber dann riss er sich zusammen und gab Anweisungen.
“Schickt sofort Boten aus, nach Cork, Tullamore, Middleton und alle anderen Brennereien und bittet um sofortige Lieferung, sonst müssen wir ein ganzes Jahr ohne die Hilfe der Geisterwelt auskommen!”.
Gesagt getan, die Boten eilten in alle Himmelsrichtungen davon.
Da damals noch der Zauber auf Irland lag und jeder, der wusste wie, den großen Schritt tun konnte, ging das auch sehr schnell.
Schon waren die ersten Boten zurück und alle mit hängenden Köpfen: “Es gibt in ganz Irland zur Zeit kein abfüllbares Wasser des Lebens”.
“Wir sind am Ende” riefen die Barden, “was sollen wir tun, das wird uns die Geisterwelt niemals verzeihen”.
Zu allem Unglück trafen genau zu diesem Zeitpunkt das schöne und das wilde Volk, die Elfen und die Leprechauns in der Burg ein.
Der Oberbarde beschrieb niedergeschlagen die Situation und schon fing der Streit wieder an. Die Elfen beschimpften die Kobolde, die Kobolde die Barden und die Barden die Merrows. Wobei die Merrows noch zu betrunken waren, um überhaupt zu verstehen, um was es eigentlich ging.
Dann war da nur noch Verzweiflung, Stille und Leere – es war als ob jemand die Zeit und jegliche Bewegung angehalten hätte.
Und so war es auch – ungesehen hatte sich der irische Weihnachtsmann der “Daidí na Nollag “ oder neuerdings “Santy” herangeschlichen und wollte seine Geschenke verteilen. Dabei stellte er fest, dass seine Wegzehrung, die die Barden immer bereitstellten, vollkommen fehlte. Weder Mincepie noch Guiness war irgendwo zu entdecken.
“So geht das nicht, das kann man mit mir nicht machen, da muss darüber gesprochen werden”.
Sprachs und plötzlich konnten sich Alle wieder bewegen.
Sofort gingen die Streitereien und Schuldzuweisungen wieder los und steigerten sich immer mehr. Kurz bevor es zu Handgreiflichkeiten kam, ertönte ein mächtige Schrei:
“Ruhe!!! Ruhe!!! Ruhe!!! Habt ihr denn gar keinen Respekt vor Weihnachten mehr?”
Der Santy hatte es auf den Punkt gebracht und wirklich beruhigten sich alle wieder. Aber sie standen und saßen immer noch völlig ratlos herum.
Der Oberbarde schilderte dem Weihnachtsmann die Situation.
Der strich sich seinen weißen langen Bart und dachte lange, lange nach.
Schließlich kam ihm die rettende Idee und er ordnete an:
“Die Merrows sollen alle leeren Fässer mit Wasser füllen und in den großen Saal bringen!
Gesagt getan – die Fässer stapelten sich immer höher und schließlich war auch das letzte Fass hereingerollt und aufgestapelt. Der Weihnachtsmann griff in seinen Sack und holte einen Segen hervor, den er glitzernd über die Fässer verteilte.
“So, dass sollte geholfen haben, aber die Erwachsenen bekommen keine anderen Geschenke mehr – für die muss das Wasser des Lebens reichen, nur die Kinder bekommen noch ihre Wünsche erfüllt!”
Zwischenzeitlich hatten sich ein Elf und ein Kobold an zwei Fässern zu schaffen gemacht und ihre Gläser volllaufen lassen. Der Elf begann zu strahlen: “Das ist der beste Whiskey, den ich jemals getrunken habe.”
Der Kobold hingegen spuckte: “Pfui Teufel, das ist ja reines Wasser”!
Wie sich herausstellte, war nur jedes zweite Fass in Whiskey verwandelt worden. Guter Rat war wieder teuer. Da sich aber zur damaligen Zeit, die alten und die neuen Götter, genauso wie die Geisterwelt durchaus gut vertrugen, murmelte Santy: “Da brauche ich wohl Verstärkung” und er zog noch einen Segen aus seinem Sack hervor und warf ihn bunt glitzernd in die Luft.
Ein leichtes “plop” war zu hören und Tailtiu, die Festgöttin, war erschienen. “Ich habe schon von eurer Notlage gehört und will euch gerne beistehen!” und sie warf ebenfalls ihren Segen über die Fässer.
Jetzt lobte auch der Leprechaun, den Whiskey in den höchsten Tönen und Alle waren wieder versöhnt:
Der Weihnachtsmann bekam seine Wegzehrung,
Die Göttin half ihm beim Verzehr derselben,
Die Elfen und Kobolde bekamen genug vom Wasser des Lebens für das kommende Jahr,
Die Barden hatten ihre Vorräte aufgefüllt,
und die Merrows – die konnten endlich weiterfeiern.
Allerdings halfen alle Anwesenden beim Feiern bereitwillig mit – bis tief in die Nacht, sogar der Weihnachtsmann und die Göttin langten kräftig zu, so dass die Vorräte erheblich abnahmen. Aber das konnten die letztgenannten schnell beheben.
Dieser Notfall blieb eine einmalige Angelegenheit, denn die Brennereien fühlten sich beschämt und hielten in Zukunft immer genug Whiskey vor.
Und wer jetzt vielleicht denkt, der Weihnachtsmann hätte bei der ganzen Feierei, die Geschenke für die Kinder zu spät ausgeliefert, der vergisst dass Santy ja die Zeit anhalten kann.